In den letzten Wochen hat das Fusionsprojekt zwischen Bern und Ostermundigen medial und politisch grosse Diskussionen ausgelöst. Nebst einer Debatte über einzelne Sachfragen wurde vor allem der Wunsch geäussert, dass mit dem Fusionsprojekt auch verschiedene Reformvorhaben verknüpft sein sollten. Die Fusion zwischen Ostermundigen und Bern biete die ideale Gelegenheit, die Stadt Bern neu zu denken. Daniel Arn ist Mitglied der Projektleitung und betreut als Rechtsanwalt im Projekt die Fusionsgrundsätze, die Strukturfragen und das Teilprojekt Finanzen. Im Interview nimmt er Stellung zur laufenden Diskussion.
Ja, selbstverständlich. Wir haben in den Projektorganen in internen Verhandlungen rund ein Jahr um Lösungen gerungen, nun werden die Lösungen öffentlich diskutiert. Da ist es ganz normal, dass die interessierte Öffentlichkeit Fragen aufwirft und auch nicht alles aus dem Stand heraus nachvollzogen werden kann. Ich erachte die Diskussion als sehr positiv und wichtig, denn die Themen müssen auf den Tisch.
Fusionen unterscheiden sich stark von gemeindeinternen Reformprojekten. Bei Reformprojekten einer einzigen Gemeinde ist der Einbezug der Öffentlichkeit permanent möglich. Bei einer Fusion muss im Rahmen von vertraulichen Verhandlungen zwischen den Exekutiven zunächst ein gemeinsamer Nenner gefunden werden, bevor die Ergebnisse präsentiert werden können. Jetzt wo die Fusionsparteien einen gemeinsamen Nenner gefunden haben, können sie auch gemeinsam auftreten und ihre Haltung begründen. Zu Beginn der Verhandlungen waren die Vorstellungen bezüglich der politischen Strukturen sehr unterschiedlich. Stellen Sie sich vor, was passiert wäre, wenn beide Verhandlungspartner mit unterschiedlichen Haltungen an die Öffentlichkeit getreten wären. Das hätte kaum mehr zu einem gemeinsamen Vorgehen zusammengeführt werden können.
Auf den ersten Blick stellt sich bei einem solchen Vorhaben sicher die Frage nach dem grossen Wurf. Ob aber der Gemeinderat der Stadt Bern 5 oder 7 Mitglieder zählt oder ob die Stadtteilpartizipation über die ganze Stadt hinweg zu reformieren ist, muss einer breiten politischen Diskussion zugeführt werden. Es ist nicht möglich, diese Diskussion im Rahmen des Fusionsprozesses zu führen und die Fusion mit diesen Reformen zu einer einzigen Abstimmungsfrage zu verknüpfen.
Es gibt vor allem zwei Gründe. Zum einen besteht die Gefahr, dass sich die Nein-Stimmen der Fusion mit den Neinstimmen zu den anderen Reformen kumulieren, was wohl zu einem Scheitern der Vorlage führen dürfte. Zum anderen gilt es zu bedenken, dass die Integration der Gemeinde Ostermundigen in die Stadt Bern – sowohl was die Aufgabenerfüllung wie auch die Verwaltung anbelangt – bis im Sommer 2022 im Detail geplant werden muss. Neben Personalfragen (wie werden die Stellen in die Verwaltungsorganisation der Stadt Bern integriert etc.) geht es auch um die finanziellen Auswirkungen einer Fusion, diese können nur einigermassen verlässlich erhoben werden, wenn die Integration ganz konkret geplant wird. Und diese Planung erfolgt im Rahmen der bestehenden Organisation der Stadt Bern, mit fünf Direktionen und der entsprechenden Verwaltungsorganisation. Das bedeutet auch, dass der Vollzug dieser Integration nach einer positiven Volksabstimmung im Sommer 2023 auf der Grundlage dieser Planung erfolgen muss. Würde im Rahmen der laufenden Fusionsdiskussion der Gemeinderat der Stadt Bern um zwei Mitglieder vergrössert, müsste die ganze politische und administrative Organisation neu geordnet werden, ein riesiges Unterfangen. Dieser Reformprozess müsste zuerst umgesetzt werden, damit im Nachgang die Integration der Gemeinde Ostermundigen im Rahmen dieser neuen Organisation erfolgen könnte. Der Zeitplan für die Fusion könnte wohl um Jahre nicht eingehalten werden.
Das würde ich sogar empfehlen. In den Rechtsgrundlagen der Fusion könnte verankert werden, mit welchen Reformfragen sich die fusionierte Stadt Bern nach der Fusion befassen wird. Vereinbart würden also nicht bereits die Reformergebnisse (zum Beispiel ein 7-köpfiger Gemeinderat), sondern vielmehr die Reformthemen, die nach der Fusion anzugehen wären. Dieses Vorgehen würde einerseits sicherstellen, dass sich die zuständigen Organe nach der Fusion mit gewissen Fragen befassen müssten, andererseits könnten diese Reformprozesse sehr offen und partizipativ erfolgen, weil – anders als bei einer Fusion – nicht zwei Parteien harmonisierte Vorschläge erarbeiten müssten. Die neu fusionierte Stadt Bern könnte zu gegebener Zeit diese Reformprozesse nach freiem Belieben gestalten.
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