Sind wir eher Dörfler oder eher Städter? Entlang dieser Frage verläuft die Diskussion in Frauenkappelen vor der Abstimmung über Fusionsverhandlungen. Die Gegnerinnen und Gegner fürchten Souveränitätsverlust, die Befürworterinnen und Befürworter heben die Entwicklungsperspektive im Lebensraum Bern hervor.
In Frauenkappelen ist das Stimmvolk am 14. März 2021 an die Urnen gerufen. Wie in Kehrsatz kann wegen der Corona-Pandemie keine Gemeindeversammlung stattfinden. Die Abstimmungsfrage lautet: Sollen Fusionsverhandlungen mit der Stadt Bern und der Gemeinde Ostermundigen (sowie allenfalls der Gemeinde Kehrsatz) aufgenommen werden?
Der Gemeinderat hat sich im Rahmen einer Strategiesitzung mit dem Thema auseinandergesetzt und empfiehlt in seiner Botschaft ein Nein. Noch könne die Gemeinde ihre öffentlichen Ämter besetzten, die Finanzlage sei zwar nicht rosig, aber auch nicht beängstigend, zudem habe die Gemeinde funktionierende Zusammenarbeiten mit Nachbargemeinden. Die Gemeinde könne fusionieren, müsse das aber nicht. Ausserdem hätten die Rückmeldungen aus der Bevölkerung gezeigt, dass Frauenkappelen nicht reif sei für Fusionsverhandlungen.
Nach dem Entscheid des Gemeinderates hat sich in Frauenkappelen die öffentliche Debatte intensiviert, auch mit Flugblättern, Social-Media-Posts und Beiträgen in Presse und Radio. Für ein Ja setzen sich die SP und die FDP ein, für ein Nein die SVP. Nachfolgend äussern ein Pro- und ein Contra-Exponent ihre wichtigsten Argumente.
Werner Streit, FDP Frauenkappelen
«Mit einem Ja zu Fusionsverhandlungen geht es darum, mögliche langfristige Perspektiven zu entwickeln. Entwickeln heisst loslassen und neue Möglichkeiten in Erwägung ziehen. Erst wenn ich diese Perspektiven kenne, kann ich einer Fusion zustimmen oder sie ablehnen. Der reale Lebensraum vieler Bürgerinnen und Bürger umfasst bereits heute die Region und die Stadt Bern. Die Mehrheit des Dorfes sind Pendler. Warum also nicht dereinst «unseren» Lebensraum (zum Beispiel den Westen von Bern) mitgestalten? Für öffentliche Ämter wird es immer schwieriger, geeignete Kandidierende zu finden. Frauenkappelen kauft zudem sehr viele Basisleistungen wie Schule, Feuerwehr und Sozialdienst in den umliegenden Gemeinden ein. Faktisch sind wir schon heute nicht mehr zu 100% selbständig.»
Fritz Blaser, Präsident SVP Frauenkappelen
«Die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Frauenkappelen verlieren bei einem Zusammenschluss einen grossen Teil ihrer Souveränität. Frauenkappelen würde zu einem Aussenquartier der Stadt Bern. Mitbestimmung wäre nur noch als Quartierverein möglich. Frauenkappelen will noch selber über seine Schulen, über die Raumplanung und die Versorgung und Entsorgungen bestimmen. Mit der Politik der Stadt Bern sind wir nicht einverstanden. Die Finanzlage der Stadt Bern verschlechterte sich in den letzten vier Jahren so stark, dass die finanziellen Konsequenzen bei einem Zusammenschluss heute unklar sind. Wir unterstützen den Gemeinderat und empfehlen ein Nein zu weiteren Fusionsschritten.»